Warum Borderline bei Männern viel seltener diagnostiziert wird
Borderline wird bei Männern trotz eindeutiger Anzeichen oft nicht erkannt
Den Grund dafür findet man, wie so oft, in unserer Gesellschaft:
Mann und Frau werden Eigenschaften zugeschrieben, die im gesellschaftlichen Konsens für das jeweilige Geschlecht “typisch” sind.
- Mann: stark, laut, einsilbig, wütend, pragmatisch, aggressiv, beschützend, erfolgreich
- Frau: schwach, leise, gesprächig, besorgt, kompliziert, schlichtend, verletzlich, mütterlich
Wenn man sich die Liste so anschaut, erfüllen die Geschlechterrollen sehr schön ihre stereotype Gegensätzlichkeit.

Borderline-Frauen fallen mehr aus der “Rolle”
Doch im Inneren entspringt das Leeregefühl, die Impulsivität und die emotionale Schwarz/Weiß-Sicht genau den gleichen seelischen Ursachen, wie beim weiblichen Pendant.
Borderline-Männer fallen genauso aus der “Rolle”, doch wird dies durch das gesellschaftliche Rollenmodell verschleiert und ihr Verhalten fälschlich normalisiert.
Häufigste Fehldiagnose: Depression und/oder Angststörung
Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung ist eine Krise in der Regel durch extreme Stimmungsschwankungen gekennzeichnet. Eine Phase mit stark negativem Affekt, gleicht einer schweren Depression. Diese ist, zusammen mit Suizidgedanken, meist auch Grund für das Aufsuchen einer Klinik.

Fällt ein emotional instabiler Mann nun in eine behandlungsbedürftige Krise, liegt der diagnostische Fokus oft anders, als bei einer Frau. Ich spreche hier von dem Fall, dass keine super-offensichtlichen Merkmale vorliegen, wie z.B. viele Narben durch wiederholte Selbstverletzung.
Diagnostische Glücksache: Es kommt auf die Klinik an
Der stark negative Affekt (mit Suizidgedanken) wird dann als schwere unipolare depressive Episode diagnostiziert (was für den Moment ja auch richtig wäre, aber eben nicht generell).
Die dissoziativen und/oder psychiotischen Symptome und die stark negativen Gefühle (inkl. Angst) werden gerne auf eine komorbide Angststörung geschoben (z.B. Panikstörung).

Schlimmer geht immer: Bipolar mit rapid-cycling
Im schlimmsten Fall kommt möglicherweise noch ein ganz aufgeweckter Doc auf die Idee, ihr könntet Bipolar mit schnellen Wechseln sein, weil ihm eure Affekt-Schwankungen “semi-aufgefallen” sind. Euer “Hoch” hat aber einen Furz mit einer Manie zu tun und ist schon gar kein rapid-cycling!
Meine Erfahrung: Das war meine traurige Realität
Vielleicht fragt ihr euch an dieser Stelle, wie ich zu so konkreten Aussagen gekommen bin. Das liegt daran, das es mir selbst genauso passiert ist.
Schließlich hat man mir in einer anderen Klinik richtig zugehört und aufgrund der vielfältigen Symptomatik umfassende Diagnostik betrieben ( = “Kreuzchen machen ohne Ende”). Dies führte dann fast 7 Jahre nach meinem ersten stationären Aufenthalt zur Erst-Diagnose F60.31.
Community-Time! 🙂
Wie sind eure Erfahrungen mit den Kliniken?
Gab es bei euch ähnliche Schwierigkeiten und/oder Fehldiagnosen oder lief es glatt?
Schreibt mir in die Kommentare. Speziell freuen würde ich mich über das Feedback von männlichen Borderlinern.
Ich galt Anfang der 90er erst 2 Jahre lang als Narzisstisch gestört, bevor ich die Diagnosr Borderline bekam. Das ging aber ziemlich reibungslos.